ONLINE-BROTVERSAND: TRADITION MIT MODERNE VERBINDEN

Bäckerei Kissel

Die Bäckerei Kissel verschickt über ihren Online-Shop Backwaren in fast die ganze Welt. Das Mittelstand-Digital Zentrum Kaiserslautern hat den innovativen Handwerksbetrieb besucht.

Die Bäckerei Kissel im rheinland-pfälzischen Reichenbach-Steegen ist ein Traditionsbetrieb, der in dritter Generation von Familie Carra betrieben wird. Eine Bäckerei in der ländlich geprägten Westpfalz zu führen, ist nicht immer ganz einfach. Für die Carras war das der ausschlaggebende Grund, einen Schritt über das klassische Bäckerhandwerk hinaus zu denken: Ein Online-Brotversand bringt zusätzliche Aufträge und macht die Bäckerei international bekannt. Die Idee dazu entstand vor über 10 Jahren: „Wir fahren oft auf Bauern- und Gourmetmärkte im Umkreis von 120 Kilometern. Vor Ort sagen häufig die Kunden: ‚Ach schade, dass ihr nur einmal im Jahr hier seid. Wir würden euer Brot gerne öfter genießen‘“, erzählt Petra Kunz, Enkelin der Bäckereigründer Julius und Ellen Kissel. 

Die traditionelle Bäckerei Kissel aus dem kleinen Ort Reichenbach-Steegen sichert ihre Zukunftsfähigkeit unter anderem mit einem Brot-Onlineshop. Fotos: Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern / A. Sell

Sie führt das Unternehmen nun gemeinsam mit ihrem Bruder Paul Carra – dem aktuellen Bäckermeister. Der Vater der beiden und bisheriger Bäckerei-Chef Karl-Heinz Carra hatte damals die passende Antwort für die brothungrigen Marktgäste parat: „Ich kann euch das Brot gerne schicken!“, erklärte er kurzerhand. Damit war die Idee des Brotshops geboren.

Zwei Generationen, die für Innovation im Bäckereihandwerk stehen: Die Seniorchefs Karl-Heinz Carra und Ursula Carra, Verkäuferin Andrea Herzer, der aktuelle Bäckermeister Paul Carra und Juniorchefin Petra Kunz (v.l.n.r.).

Der Brot-Onlineshop als Existenzsicherung

Was als Extraservice für die Kunden begann, sichert heute die Existenz der Familienbäckerei. „Wenn wir nicht die zwei Nischen kombiniert hätten – den analogen, traditionellen Laden und den digitalen Brot-Onlineshop – dann würde es uns heute wahrscheinlich nicht mehr geben“, so Kunz.

Auch wenn das Backhandwerk traditionell per Hand ausgeführt wird, können Kunden fast aus der ganzen Welt online über die Webseite Brot bestellen. Dazu gibt es eigens ein Formular, über das die Bestellung einfach und schnell abgewickelt werden kann. Sogar Gutscheine können im Kissel-Onlineshop bestellt werden. Gleichzeitig sieht der Kunde alle relevanten Infos zur Lieferung, inklusive Lieferzeit und Bezahlung. Zehn Tonnen Brot hat die Bäckerfamilie im Jahr 2017 verschickt.

Die Verbindung von Tradition und Moderne hat sich bereits international herumgesprochen. Kunz erzählt von einem Stammkunden aus Monaco, der im Urlaub zum ersten Mal deutsches Brot probiert hatte. „Ein paar Monate später hat er nach deutschem Brot gegoogelt und uns gefunden. Seitdem bestellt er regelmäßig.“, erinnert sich Kunz. Ein weiterer wichtiger Kundenstamm sind Deutsche, die im Ausland 

leben. „Brot ist wirklich ein Lebensmittel, nach dem man Heimweh bekommt“, sagt die Juniorchefin. So schickt sie regelmäßig Pakete an einen Kunden in Lettland, der den heimischen Brotgenuss nicht missen möchte.

Musikantenbrot erzählt die Geschichte der Region

Der Bestseller im Online-Shop: Das Reichenbacher Musikantenbrot; 1977 von Karl-Heinz Carra anlässlich des örtlichen Musikfests kreiert. Das Brot besteht zu 80 Prozent aus dunklem Roggenmehl (Type 1370) und zu 20 Prozent aus dunklem Weizenmehl (Type 1050). Die Kruste besteht aus 

"Brot ist wirklich ein Lebensmittel, nach dem man im Ausland Heimweh bekommt."
Petra Kunz
Juniorchefin Bäckerei Kissel

einer eigens kreierten Gewürzmischung mit Fenchel, Anis und Koriander – ein Kunstgriff, der die Geschichte der nördlichen Westpfalz, dem sogenannten Musikantenland, aufgreift. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts brachen Männer aus der Region auf, um im Ausland ihr Geld mit Musik zu verdienen. Für die lange Schifffahrt, unter anderem für jene in die Vereinigten Staaten, brauchten die Auswanderer ein haltbares Brot, was Carra über 200 Jahre später mit lang haltbarem Roggenmehl realisiert hat. Die Gewürze in der Kruste symbolisieren die fremden Zutaten, die die Musiker aus den verschiedensten Ländern mit zurück in die pfälzische Heimat brachten.

Über das Online-Formular kann die Bestellung bei der Bäckerei Kissel einfach und schnell getätigt werden.

Kassenschlager ist das Reichenbacher Musikantenbrot.

rozessoptimierung im Versand

Dass das Brot für lange Fahrten über den Ozean geeignet ist, zahlt sich auch im Brotversand aus. Nur einen Tag dauert die Zustellung mit dem Express-Versand innerhalb von Deutschland. Über Ländergrenzen hinweg kann sich die Lieferzeit dementsprechend verlängern.

Um die bestmögliche Brotqualität sicherzustellen, hat Kissel den Versandprozess optimiert. „Bis vor einem Jahr mussten wir die Pakete in einen größeren Ort bringen, weil sie von der Post nicht bei uns in Reichenbach-Steegen abgeholt wurden. Dieser Prozess läuft nun problemlos ab, denn ich konnte die Post davon überzeugen, die Brotpakete direkt bei uns abzuholen“, erläutert Kunz. Damit sei gewährleistet, dass die Brote am nächsten Tag ankommen. Aktuell werden bei Kissel einmal pro Woche Backwaren verschickt, immer donnerstags. Juniorchefin Kunz wünscht sich jedoch mindestens einen zweiten Versandtag, um das Online-Geschäft weiter auszubauen. Die Kartons für den Brotversand sind Maßanfertigungen, die genau auf die Größe des zwei Kilogramm schweren Musikantenbrots und die verschiedenen Genusspakete 

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Bäckermeister Paul Carra sorgt dafür, dass genügend Brote für den Versand gebacken werden.

abgestimmt sind. Am Versandtag muss alles reibungslos laufen; bis zu drei Mitarbeiter kümmern sich dann um den Brotversand. Die Pakete ins Ausland werden aufgrund der längeren Lieferzeit bereits am Tag davor verpackt und auf die Reise geschickt.

Erfolg kommt durch langjährige Erfahrung

Vom Erfolg des Brotshops ist sie selbst überrascht – auch, weil Bäckerkollegen mit ähnlichen Shops oft Schwierigkeiten beim Etablieren des Angebots haben. „Der Vorteil ist, dass wir den Kundenstamm außerhalb der Ortsgrenze über die jahrelange Markterfahrung bereits aufgebaut haben und nun das Analoge mit dem Digitalen in Verbindung bringen“, meint Kunz. Denn ganz digital solle der Broteinkauf dann auch nicht sein: „Das Schmecken, Fühlen und Riechen der Backwaren bringt das digitale Zeitalter nicht mit. Das geht wirklich nur vor Ort“, ergänzt sie.

Die Digitalisierung überwindet nicht nur räumliche Grenzen, sondern auch persönliche. Immer wieder schicken Kunden Mails und bedanken sich für die schnelle Lieferung des Brots. „Es steht eher selten ein Kunde im Laden vor einem und sagt: ‚Mensch, ich bin so froh, dass es euch gibt.‘ Das ist in der digitalen Welt schon einfacher und wir freuen uns über jedes Lob“, so Kunz.

Insgesamt 18 Mitarbeiter zählt die Handwerksbäckerei ‚Kissel, Brot und mehr…‘. Neben dem Laden und der Backstube in Reichenbach-Steegen betreibt die Familie seit über 30 Jahren einen Laden mit kleinem Café in Steinwenden und seit Oktober 2018 einen Brotladen in Kaiserslautern. Aktuell ist eine neue Webseite in Arbeit, um die Brotbestellungen noch einfacher zu machen.

Digitalisierung sichert die Existenz

Neben dem Musikantenbrot hat Kissel noch viele weitere Leckereien im Angebot, darunter auch Mandeltörtchen.

Im Gegensatz zu anderen mittelständischen Betrieben, bei denen die Mitarbeiter der Digitalisierung oft skeptisch gegenüber stehen, sehen die Kissel-Mitarbeiter die Entwicklung als Überlebenschance für den Betrieb. Juniorchefin Kunz fasst das so zusammen: „Wir behalten unseren Job, weil wir uns digitalisiert haben. Trotzdem muss noch richtig analog Hand angelegt werden. Brot wird nun mal nicht mit dem 3D-Drucker gemacht.“

Im Kartonlager der Bäckerei Kissel wird alles für den Versand vorbereitet.

Die Kartons sind maßangefertigt und werden per Hand gefüllt.

Der Drang, Neues auszuprobieren, steckt seit jeher in der DNA des Betriebs. Karl-Heinz und Ursula Carra (geb. Kissel), die Eltern von Petra Kunz und Paul Carra, waren beide branchenfremd, denn eigentlich hätte in den 1970er-Jahren Kunz‘ Onkel die Bäckerei übernehmen sollen. Als der jedoch eine Mehlstauballergie entwickelte, sprang Karl-Heinz Carra ein und absolvierte die Meisterprüfung als Bäcker. „Heute backt er mit Leib und Seele, als hätte er nie etwas anderes getan“, sagt seine Tochter. Mittlerweile kümmert sich zudem auch Carras Sohn Paul um die Backangelegenheiten. Um den Betrieb kontinuierlich weiterzuentwickeln, besucht das Kissel-Team regelmäßig Messen oder Seminare – auch, um fachfremde Erfahrungen zu sammeln. „Diese Offenheit gegenüber Neuem ist enorm wichtig. Hätten wir damals nicht über den Tellerrand geblickt, hätten wir nicht den Mut gehabt und den Brot-Onlineshop eröffnet“, so Kunz.

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Über das Unternehmen: Bäckerei Kissel, Brot und mehr...

Daten und Fakten

1949 mieteten Julius und Ellen Kissel eine kleine Bäckerei in Reichenbach-Steegen an und gründeten den gleichnamigen Betrieb. In den 1970er-Jahren übernahm Schwiegersohn Karl-Heinz Carra die Bäckerei gemeinsam mit seiner Frau Ursula und erfand das Musikantenbrot, den Kassenschlager von Kissel. Mittlerweile führen Petra Kunz und Paul Carra die Traditionsbäckerei in dritter Generation. 1983 wurde eine Filiale in Steinwenden eröffnet, im Oktober 2018 folgte der dritte Laden in Kaiserslautern.

Webseite: https://www.backparadies-kissel.de/

Unternehmenssitz: Reichenbach-Steegen

Mitarbeiter: 18

Gegründet: 1949

Autor: Julian Hörndlein

Kontakt

Larissa Theis

Öffentlichkeitsarbeit